Interview mit Corina Wirth, Geschäftsführerin Public Health Schweiz
Welche Rollen spielen die Strategien NCD und Sucht für die Arbeit von Public Health Schweiz?
Insbesondere nichtübertragbare Krankheiten sind ein klassisches Public-Health-Thema. Es ist für uns ein wichtiges Signal, dass der Bundesrat den Handlungsbedarf erkannt und mit der Strategie Massnahmen definiert hat. Für unsere Arbeiten sind die Strategien hilfreich, weil sie ein gemeinsames Verständnis für NCD- und Suchtprobleme schaffen und Ziele vorgeben. Sie erlauben uns, mit anderen Organisationen und mit Expert/innen auf dieselben Ziele hinzuarbeiten und zusammen «am gleichen Strick zu ziehen».
Warum sind nichtübertragbare Krankheiten ein klassisches Public-Health-Thema?
Die öffentliche Gesundheit kann viel zur Vermeidung von NCD unternehmen. Wichtig ist dabei, alle Aspekte miteinzubeziehen, z.B. auch die psychische Gesundheit: Esse ich zu viel, weil ich unglücklich bin? Weshalb ist mein Alkoholkonsum so hoch? Es steht aber gar nicht immer die Gesundheitspolitik im Zentrum. Wenn es keine Spielplätze gibt, spielen die Kinder nicht draussen. Fehlende Velowege halten die Bevölkerung vom Velofahren ab, und Gesundheitskompetenz muss man irgendwo erwerben können. Viele Politikbereiche wie die Raumplanung, die Bildungs- oder die Umweltpolitik beeinflussen unsere Gesundheit.
Welche Meilensteine wurden seit 2017 erreicht?
Es ist schwierig, von Meilensteinen zu sprechen, denn gerade bei Gesundheitsförderung und Prävention werden die erreichten Ziele erst viel später sichtbar. Wir stellen fest, dass die Themen nichtübertragbare Krankheiten und Sucht an Wichtigkeit und Sichtbarkeit gewonnen haben. Auch im Parlament werden vermehrt Vorstösse zu diesen Themen eingereicht.
Was wünschen Sie sich für die zweite Halbzeit der Strategien?
Ich wünsche mir, dass nach der Sensibilisierung und den Aufbauarbeiten nun, in der zweiten Halbzeit, strukturelle Änderungen erfolgen. Die Politik muss sich zu Prävention und Gesundheitsförderung bekennen. Sie muss die Voraussetzungen und Strukturen dafür schaffen, und zwar auf allen Ebenen und in allen Politikbereichen. Dazu gehören Velowege genauso wie die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln oder das Werbeverbot von Tabakprodukten für Kinder. Persönlich wünsche ich mir etwas mehr Spass dabei: Gesund leben bedeutet nicht zwingend Verzicht, sondern Gewinn an Lebensqualität.